
Beim Musiktheater Vorarlberg wurde heuer sogar in der Unterwelt gefeiert – frech, frivol, erotisch – und dabei bestens gespielt und hervorragend gesungen. Ein Fest der Freude mit dieser erstmals in Vorarlberg aufgeführten Operette.
Im jährlich programmatischen Wechsel von Musical (Evita), Oper (Der Barbier von Sevilla) war die heurige Produktion der Operette gewidmet. Der heuer erstmals als Intendant agierende Nikolaus Netzer vom Musiktheater Vorarlberg hebt die Allgemeingültigkeit der Operette hervor. Diese liege „sicher in der zwischenmenschlichen Beziehung, in der zwischenmenschlichen Tragödie und in der
zwischenmenschlichen Freude“. Und wie diese Operette präsentiert wurde, ist reine Freude.
Die in Bregenz lebende, aus dem Schauspielbereich kommende Regisseurin Barbara Herold erbrachte mit ihrer ersten Musiktheater-Inszenierung eine überaus kompakte Produktion. Die straffe, spritzige und humorvolle Führung der Protagonisten, die auch bei diesem personalintensiven Stück keinerlei Leerläufe zulässt, zeigt ihre starke Hand und ihre langjährige Erfahrung. Die drei Ebenen des Olymp, der Menschen- und der Unterwelt werden in ihrer krassen Unterschiedlichkeit trotz begrenzter bühnentechnischer Möglichkeiten durch Hartmut Holz (Bühne und Kostüme) plastisch herausgearbeitet. Im Reich Jupiters döst man vorwiegend in Weiß dahin, unten regiert feurig-rot das Lustprinzip (z.B. wo es Jupiter im Fliegen-Duett als verkleidetes Insekt mit Eurydike treibt). Da wird auch der „Höllen-Galopp“ getanzt, wie er zur Entstehungszeit der Operette (1858) benannt wurde, ehe es später zur heute gebräuchlichen Bezeichnung „Can-Can“ kam. Mit Können und Freude brachten die jugendlichen Tänzerinnen diesen flotten Tanz zum Vortrag (Choreografie: Verena Russo-Haftel), wobei es nach dem rauschenden Finale noch ein Da Capo gab.
Das Orchester des Musiktheater Vorarlberg unter der souveränen Stabführung des auch schon an der Bayerischen Staatsoper dirigierenden Michael Mader spielt klangschön, dynamisch und mit viel Raffinement und Perfektion. Dem hohen szenischen Niveau entsprach auch die tadellose Besetzung der einzelnen Gesangspartien. Eine perfekte Darbietung bot die aus Kärnten stammende Theresa Dittmar als Eurydike, die trotz angesagter Erkältung und mit dadurch leicht veränderter Klangfarbe, mit ihrem schönen, höhensicheren und warmen Sopran voll überzeugen konnte. Ebenso überzeugend war ihr Spiel, in dem sie darauf pocht, dieselben Rechte zu haben wie die Männer, von denen sie sehr enttäuscht wird. Der vielseitig tätige mexikanische Tenor Adam Sanchez sang den Musiklehrer Orpheus bravourös mit sehr schön geführter Stimme und erfreute mit gutem Auftreten als eitler Bonvivant. Der Tiroler Philippe Spiegel, im vergangenen Jahr ein toller Barbiere-Figaro, überzeugt mit seinem gut geführten Bariton als hinterhältiger Göttervater Jupiter. Mario Podrecnik aus Kärnten als Höllengott Pluto zeigt sein wahres Gesicht als rücksichts- loser Despot, der auch durch die Kraft der Stimme und des Ausdrucks seine Macht zu demonstrieren weiß. Von sich überzeugt und emphatisch vertritt die „Öffentliche Meinung“ (energisch und mit klarer Sprache vorgetragen von Gisela Razen) ihre überkommenen Moralvorstellungen. Eine überzeugende Charakterstudie liefert Reinhard Razen als tragisches Faktotum des Kammerdieners Styx, der von seiner eigenen Vergangenheit als „Prinz von Arkadien“ nicht loskommt. Neben den zwei Letztgenannten wirken mit Christine Schneider (Venus), Julia Großsteiner (Cupido) und Ulrike Wender (Minerva) weitere einheimische Sängerinnen mit, die ihre Partien mit schönen Stimmen und mit viel Spielfreude erfüllen. Rollendeckend Simone Zöhrer-Varrone (Diana) und Agnes Hunziker (Juno). Sehr erfreulich auch der sehr stimmkräftige und einsatzfreudige Chor des Musiktheaters Vorarlberg unter der Chorleitung von Darina Naneva-Ivov.
Das volle Haus bedankt sich bei Allen mit jubelndem Applaus für diese wunderbare Darbietung.
Text: Alwin Riedmann für den Merker